Chinas Aufstieg zur Weltmacht: Wirtschaft und Geopolitik

 

Die Volksrepublik China steigt politisch und wirtschaftlich zu einer Weltmacht auf. Zwei Dinge sind dafür entscheidend: Die Belt and Road Initiativ (BRI) und damit verbunden eine geopolitische Neuordnung des Weltsystems. China gleicht die Internationale Präsenz der USA zunehmend aus. Für den Westen hat das weitreichende Folgen - es droht im schlimmsten Fall ein systemischer Konflikt: Der liberal-demokratische Block unter amerikanischer Führung konkurriert mit einem autokratischen Block unter chinesischer Führung. 

 

Die Belt and Road Initiativ (BRI): Verknüpfung räumlicher und digitaler Strukturen

Das erste Element, das China den Weg zur Weltmacht ebnet, ist die BRI: Es werden weltweite Handelsrouten und Handelsbeziehungen geschaffen und mit technischen Rahmenbedingungen - also digitalen Bezahlsystemen, Satellitennavigationssysteme, 5G-Mobilfunknetzwerken oder globalen Energieverbindungen - ausgestattet (Godehardt 2020). Bereitgestellt von chinesischen Tech-Unternehmen, die meist eng an politische Akteure Chinas gebunden sind und in ihrem Sinne handeln. So etabliert sich der chinesische Staat nach und nach im weltweiten Handel und kontrolliert diesen immer stärker. Das ist vor allem für Entwicklungsländer in Afrika und dem Nahen Osten Fluch und Segen zugleich: Einerseits werden Länder durch chinesischen Einfluss stark modernisiert, andererseits steigt die Abhängigkeit von China. Vor allem ärmliche Länder geraten in eine finanzielle Abhängigkeit, die von China in Krisenfällen für politisch-militärische Zwecke missbraucht werden könnte.

Neben Afrika - dem Herzstück der BRI - und dem Nahen Osten, steigert China seinen Einfluss auch in Lateinamerika: Laut GTAI (Germany Trade and Invest) hat China alleine in Lateinamerika und der Karibik seit 2018 mit 21 Staaten eine Absichtserklärung über den Beitritt zur BRI unterschrieben, zuletzt mit Argentinien 2022. Darüber hinaus unterhält das Land mit Chile, Peru und Costa Rica Freihandelsabkommen. In Peru beispielsweise baut der chinesische Hafenbetreiber Cosco Shipping Ports für geplante 600 Millionen USD den Hafen Chancay aus. Chancay soll der wichtigste Pazifikhafen Südamerikas werden und eine logistische Schlüsselrolle für die BRI in der Region spielen (GTAI 2022). In Argentinien kaufte sich China in das größte Projekt, das Argentinien zu dem Zeitpunkt zur Lithiumgewinnung vergeben hatte, ein. China sichert sich Energiequellen, wichtige Ressourcen und Agrarprodukte in Lateinamerika - und kontrolliert so potentiell auch den Handel anderer Länder, der über diese Handelsstützpunkte abgewickelt wird. 

Chinas Regierung flankiert die wirtschaftlichen Aktivitäten: Es werden Freihandelsabkommen abgeschlossen und über das staatliche Bankensystem Kredite für Unternehmen bereitgestellt, die sich an Projekten für Energie, Straßen, Telekommunikation oder Häfen beteiligen. Von Seiten der EXIM Bank of China stehen zinsvergünstigte Kredite für Entwicklungshilfe und Exportkredite zur Verfügung (GTAI 2022). Politik und Wirtschaft arbeiten also Hand in Hand - und das liegt daran, dass China mit dem wirtschaftlichen Engagement auch langfristige geopolitische Ziele erreichen will. 

 

Geopolitische Ziele Chinas

Das zweite Element, das China den Weg zur Weltmacht ebnet, ist der politische Aspekt der wirtschaftlichen Ausbreitung: China nutzt die wirtschaftlichen Beziehungen, um politischen Einfluss zu steigern. Die wirtschaftliche Ausbreitung wird so zu einer strategischen Angelegenheit chinesischer Geopolitik. Das zeigt sich beispielsweise im Nahen und Mittleren Osten. Dort handelt China wirtschaftliche Abkommen für höhere Energiesicherheit aus - gleichzeitig ist China auch politisch immer präsenter in dieser Region, denn die autokratischen Länder sind potentielle politische Partner. Der amerikanische Einfluss in dieser Region - der ohnehin schwindet - wird durch ein chinesisches Gegengewicht ausgeglichen. China stabilisiert die Region und demonstriert seine politisch-diplomatische Fähigkeiten: Zum Beispiel durch die erfolgreiche Vermittlung zwischen den tief verfeindeten Staaten Iran und Saudi Arabien. China wird weltweit nicht nur als wirtschaftlicher, sondern zunehmend als politischer Partner mit der Fähigkeit, in schwierigen Zeiten diplomatische Erfolge erzielen zu können, wahrgenommen - zumindest von autokratischen Ländern. Diese wenden sich von den USA ab - was sicher auch mit der Jahrzehntelangen Destabilisierung der Region durch die USA zu tun hat. Entscheidend sind aber ideologische Gründe: China handelt, ohne dabei die liberalen westlichen Wertvorstellungen zu adaptieren oder von westlichen Standards wie konstitutioneller Demokratie, Zivilgesellschaft oder dem universellen Wert von Menschenrechten Gebrauch zu machen (Godehardt 2020). Es schafft so ein weniger demokratisches, weniger freies Gegengewicht zur westlichen Welt. Es ist denkbar, dass China Länder mit denen es wirtschaftlich interagiert, auch politisch eng an sich binden will und so langfristig ein autokratisches Gegengwicht zum Demokratischen Block unter amerikanischer Führung bildet. Nicht nur an Land, sondern auch auf See. 

 

Verknüpfung wirtschaftlicher und geopolitischer Ziele Chinas

Das Zusammenspiel von Wirtschaft und Geopolitik zeigt sich auch auf dem afrikanischen Kontinent. Kein Land ist wirtschaftlich und finanziell so eng verbunden mit Afrika wie China: 46 afrikanische Länder sind Teil der BRI (Stand 10, 2022) - Der Handel zwischen afrikanischen Ländern und China beläuft sich jährlich auf 250 MRD USD - Tendenz steigend (Hahn 2022). 

Ein wichtiger Punkt chinesischen Einflusses: Häfen. Nach Angaben des US Naval War College sind chinesische Banken und Firmen inzwischen an Finanzierung, Bau oder Betrieb von 61 Häfen in 30 afrikanischen Ländern beteiligt. Ein Beispiel: Der Erwerb des Hafens in Tanger, Marokko, durch chinesische Firmen. Im Januar 2022 unterzeichnete Marokko ein Kooperationsabkommen mit der Nationalen Planungsbehörde Chinas. Das Ziel: Der Erwerb von Tanger Med Port durch ein chinesisches Unternehmen. Für die EU ist das problematisch: Marokko ist ein wichtiger Akteur in den Planungen der EU in Bezug auf die südliche Nachbarschaft sowie des “Green Deals”. Die wichtigsten europäischen Konkurrenten Chinas in Wachstumsbranchen wie Elektromobilität und Windturbinen-Konstruktion (z.B. Siemens Gamesa) produzieren seit 2017 in der Tanger. Die Übernahme des Hafens von Tanger durch die chinesische Firma bedeutet, dass China die Exporte dieser Produkte nach Europa kontrollieren kann (Seyringer 2022). Ein kluger Schachzug Pekings - der in Krisenfällen dazu verhilft, die europäische Wirtschaft zu schwächen. Das ist nur eines von vielen Beispielen das zeigt, welche Ziele China bei den vielen Hafeninvestitionen im Ernstfall verfolgen könnte (Seyringer 2022).

Für die USA sind die vielen chinesischen Hafenprojekte auch aus militärischer Sicht kritisch: Häfen sind in Krisensituationen vergleichsweise einfach zu militärstützpunkten umfunktionierbar.  Ein Beispiel dafür findet sich laut GTAI im Süden Argentiniens:  Der dortige Gouverneur unterzeichnete im Januar 2021 mit dem chinesischen Staatsunternehmen Shaanxi Chemical Industry Group eine Absichtserklärung zum Bau eines "Mehrzweckhafens", einer Chemiefabrik und eines Kraftwerks. Das Problem: "Der Hafen könnte China in die Lage versetzen, die Passage zwischen Atlantik und Pazifik sowie die Kommunikation in der gesamten Hemisphäre zu überwachen", schreibt GTAI. Denn da ein Hafen in dieser Region wenig rentabel sei, könnten geopolitische Ziele ausschlaggebend für den Standort sein.   

Fazit: Eine solche Geopolitisierung räumlich-technischer und wirtschaftlicher Strukturen hat das Potential, die Geographie der internationalen Politik mittelfristig zu transformieren und in chinesischem Sinne zu prägen. Ob die USA das zulässt, ist fraglich.