Die Rolle der Frau in Afghanistan
Frauen sind in Afghanistan weder sicher noch frei. Der Mord an der Frauenrechtlerin Forzan Safi zeigt dies mit aller Härte: Im November 2021 organisierte Safi gemeinsam mit drei anderen jungen Frauen Proteste gegen die Taliban, für Frauenrechte und Gleichberechtigung – wenige Tage später wurde sie von den Taliban entführt und getötet. Laut Human Rights Monitor war dieser Mord nicht nur ein Akt der Rache, sondern diente als Warnung, um zukünftige Proteste zu unterbinden.
Frauenrechte im Schatten der Sharia
Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 sehen sich Frauen in Afghanistan mit extremen Einschränkungen konfrontiert. Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahid verkündete damals in einer Pressekonferenz, dass das Regime Frauenrechte im Sinne des Sharia-Rechts respektieren werde. Dies bedeutet jedoch in der Praxis eine starke Einschränkung in Bewegungsfreiheit, Bildung und Berufstätigkeit. Frauen wird der Zugang zu Bildung, Arbeit und medizinischer Versorgung systematisch verwehrt.
Die Taliban fördern nicht nur aktiv die Kontrolle und Einschränkung von Frauen, sondern verschärfen auch die Bedrohungslage für sie. So wurden zahlreiche Straftäter – Mörder, Verbrecher und Vergewaltiger – aus Gefängnissen befreit, die in den vergangenen 20 Jahren von afghanischen Behörden oder internationalen Organisationen inhaftiert worden waren. Dadurch wird die öffentliche Sicherheit, besonders für Frauen, weiter untergraben.
Frauen in Afghanistan: Ein Rückschritt nach zwanzig Jahren Fortschritt
In den Jahren vor der Machtübernahme durch die Taliban begann die Emanzipation der Frau in Afghanistan, unterstützt durch internationale Hilfsorganisationen, allmählich Fortschritte zu machen. Viele Frauen erhielten Zugang zu Bildung und Arbeitsplätzen, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit wuchs – die Lebensqualität verbesserte sich.
Doch heute ist von dieser Entwicklung nichts mehr spürbar. Frauen dürfen sich nur in Begleitung eines männlichen Verwandten, eines sogenannten Mahram, in der Öffentlichkeit aufhalten. Auch dürfen sie das Haus nur zu dringenden Besorgungen verlassen und müssen dabei vollständig verschleiert sein. Der Zugang zu Recht und Gerechtigkeit ist Frauen ebenfalls verwehrt: Richterinnen, Staatsanwältinnen und Anwältinnen haben keine Möglichkeit, weiterhin im Rechtssystem tätig zu sein.
Schutzräume für Frauen, wie Frauenhäuser und Beratungszentren, wurden geschlossen oder in den Untergrund gezwungen. Mitarbeitende von Organisationen, die Schutz und Beratung bieten, sind konstant bedroht. Das Frauenministerium wurde abgeschafft, ebenso das Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (EVAW Law) aus dem Jahr 2009.
[Ein kritischer Rückblick zeigt, dass die internationalen Bemühungen um Frauenrechte in Afghanistan keine nachhaltigen Strukturen schaffen konnten.]
Wirtschaftliche Not verschärft die Lage der Frauen
Die wirtschaftliche Krise des Landes und die daraus resultierende Hungersnot treiben viele Familien dazu, ihre Töchter gegen einen Brautpreis in die Ehe zu zwingen, um die verbleibenden Familienmitglieder ernähren zu können. Vor der Machtübernahme war bereits ein Drittel der Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet – heute steigen die Zahlen rapide. Viele dieser Mädchen werden früh schwanger, was in Afghanistan oft tödliche Folgen hat, da es eine der höchsten Müttersterblichkeitsraten weltweit aufweist. Laut UN stirbt alle zwei Stunden eine Frau während der Schwangerschaft oder Geburt aufgrund von Mangelernährung, jungem Alter und schlechter medizinischer Versorgung.
Perspektiven für die Zukunft: Kaum Hoffnung auf Veränderung
Kann die Situation für Frauen in Afghanistan verbessert werden? Ein militärisches Vorgehen gegen die Taliban zeigte in den letzten 20 Jahren keine nachhaltige Wirkung, und auch diplomatischer Druck von internationalen Akteuren scheint wenig Erfolgsaussichten zu haben, da das Land ohnehin politisch und wirtschaftlich isoliert ist.
Ein potenzieller Vermittler könnte jedoch das Emirat Katar sein. Katarische Diplomaten haben bereits mehrfach erfolgreich den Kontakt zwischen den Taliban und westlichen Staaten oder der UN hergestellt – zuletzt im Sommer 2024, als Taliban-Vertreter in Doha mit UN-Repräsentanten über wirtschaftliche Herausforderungen und Drogenbekämpfung diskutierten. Dabei forderten die Taliban den Westen auf, die politische Isolation zu beenden – doch die anhaltende Unterdrückung der Frauenrechte bleibt ein Hindernis für eine internationale Anerkennung des Regimes.
Die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Wandels
Eine langfristige Verbesserung der Frauenrechte in Afghanistan erfordert einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Afghanische Frauen können in ihrer Heimat erst dann mehr Freiheit und Gerechtigkeit erwarten, wenn sich revolutionäre Ideen in der Gesellschaft verbreiten. Doch was ist „die afghanische Gesellschaft“ überhaupt? Ihre Geschichte und Zusammensetzung sind einzigartig. Hier erfahren Sie mehr über die gesellschaftlichen Strukturen und geografischen Besonderheiten Afghanistans.